Ausgangslage
Per 17. März 2020 hat der Bundesrat die Schliessung bestimmter Betriebe aus gesundheitlichen Gründen angeordnet. Für Arbeitsausfälle aufgrund behördlicher Massnahmen wurde ein Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung (KAE) gewährt. Der jüngste Entscheid des Bundesrates zur schrittweisen Wiedereröffnung bestimmter Betriebe unter Einhaltung verschiedener Hygiene- und Verhaltensregeln ab dem 27. April 2020 hat nun Fragen zum weiteren Anspruch dieser Betriebe auf KAE aufgeworfen.
In Absprache mit den Sozialpartnern möchte der Bundesrat die Wirtschaft schrittweise wieder hochfahren, wobei die notwendigen Gesundheitsmassnahmen zum Schutz der Bevölkerung, insbesondere zum Schutz der Arbeitnehmenden und der Kundschaft, berücksichtigt werden müssen. Auch in dieser neuen Phase spielt die KAE daher eine wichtige Rolle. Die vom Entscheid des Bundesrates zur schrittweisen Wiedereröffnung betroffenen Betriebe und Restaurants sehen sich womöglich mit mehreren Problemen konfrontiert, für die mithilfe der KAE Lösungen gefunden werden können, sofern die Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Zu diesen Problemen zählen insbesondere:
Prinzip der Schadenminderung
Betriebe, die KAE beantragen, müssen nachweisen können, dass sie alle zumutbaren Vorkehren getroffen haben, um den der Arbeitslosenversicherung (ALV) entstehenden Schaden zu vermeiden oder zu mindern. Somit muss der Betrieb grundsätzlich wiederaufgenommen werden, sobald dies erlaubt ist.
Der auf wirtschaftliche Gründe zurückzuführende Arbeitsausfall muss nämlich zusätzlich auch unvermeidbar sein. Diese Voraussetzung ist Ausdruck der Schadenminderungspflicht, die verlangt, dass der Arbeitgeber alle zumutbaren Vorkehren zur Abwendung des Arbeitsausfalls trifft.
Betrieb oder Restaurant wird wiedereröffnet
1) Der Betrieb oder das Restaurant kann aufgrund der weiterhin geltenden Massnahmen zum Gesundheitsschutz nur einen Teil der Arbeitnehmenden wieder beschäftigen:
Der Anspruch auf KAE für Arbeitsausfälle von Arbeitnehmenden, die nur teilweise oder nicht beschäftigt werden können, ist gegeben, sofern die übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Denn der anrechenbare Arbeitsausfall ist auf die behördlichen Massnahmen zurückzuführen. In diesem Fall kommt weiterhin Artikel 32 Absatz 3 AVIG in Verbindung mit Artikel 51 AVIV zur Anwendung. Somit behält der bei der ersten Voranmeldung gefällte Entscheid seine Gültigkeit.
2) Der Betrieb oder das Restaurant kann nur einen Teil der Arbeitnehmenden aufgrund wirtschaftlich bedingter Ausfallstunden wieder beschäftigen:
Der Anspruch auf KAE für Arbeitsausfälle von Arbeitnehmenden, die nur teilweise oder nicht beschäftigt werden können, ist gegeben, sofern die übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Denn der anrechenbare Arbeitsausfall ist auf die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zurückzuführen. Das Gleiche gilt, wenn es einem wiedereröffneten Betrieb nicht gelingt, die für die vollständige Wiederaufnahme seiner Tätigkeit notwendigen Produkte zu beschaffen und er deshalb nur einen Teil der Arbeitskräfte wieder beschäftigen kann. In diesem Fall muss keine neue Voranmeldung eingereicht bzw. kein neuer Entscheid gefällt werden, da der anrechenbare Arbeitsausfall indirekt immer noch auf die Pandemie zurückzuführen ist. Hat die kantonale Amtsstelle den anrechenbaren Arbeitsausfall in ihrem Entscheid jedoch auf einen bestimmten Prozentsatz beschränkt, kann die Kasse nur bis zu diesem Prozentsatz KAE ausrichten.
Betrieb oder Restaurant bleibt geschlossen
1) Die verlangten Verhaltens- und Hygienemassnahmen sind unmöglich umzusetzen oder es droht ein Verlustgeschäft:
Vom Arbeitgeber wird erwartet, dass er alle zumutbaren Vorkehrungen und Massnahmen zur Wiederaufnahme der Arbeit trifft. Ist es jedoch objektiv unmöglich, die notwendigen Verhaltens- und Hygienemassnahmen umzusetzen, muss die Arbeit eingestellt bleiben. In diesem Fall hat der Arbeitgeber für die betroffenen Arbeitnehmenden Anspruch auf KAE, sofern die Voraussetzungen dafür erfüllt sind.
Auch wenn der Arbeitgeber nachweisen kann, dass die Wiedereröffnung ein reines Verlustgeschäft wäre und somit eine Erhöhung des Risikos von Entlassungen oder eine definitive Schliessung zur Folge hätte, besteht Anspruch auf KAE. Denn in solchen Fällen kann nicht von zumutbaren Vorkehren die Rede sein.
Umsetzung in der Praxis:
Wurde der Anspruch auf KAE bereits gewährt, müsste nach geltendem Recht der positive Entscheid aufgehoben werden, da eine der Voraussetzungen für KAE (unvermeidbarer Arbeitsausfall aufgrund behördlich angeordneter Schliessung) nicht mehr gegeben ist.
Die kantonale Amtsstelle muss also nach geltendem Recht im Einzelfall prüfen, obder Arbeitsausfall auf wirtschaftliche Gründe zurückzuführen und unvermeidbar ist. Trifft dies zu, muss sie keine weiteren Abklärungen vornehmen, sondern darf rechtsprechungsgemäss von der Vermutung der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung ausgehen, sofern nicht konkrete Anhaltspunkte zum gegenteiligen Schluss führen (offene Prüfung).
Aktuell ist es aufgrund der Vielzahl der Fälle nicht möglich, dass die KAST alle bereits bewilligten Voranmeldungen auf Kurzarbeit prüft und den neuen Bestimmungen anpasst. Da die Restaurants grundsätzlich wieder öffnen, ist bei teilweisem Arbeitsausfall von tieferen Abrechnungen der Kurzarbeitsentschädigung für die Abrechnungsperiode Mai auszugehen. Stellt die ALK hingegen fest, dass ein Restaurant für die Abrechnungsperiode Mai nach wie vor zu 100% KAE abrechnet, so muss sie die KAST informieren. Die KAST wiederum prüft die Situation gemäss geltendem Recht.
2) Ein Restaurant kann nicht wiedereröffnet werden, da es nur über ein touristisches Transportunternehmen erreicht werden kann, wie etwa über eine Seilbahn, eine Gondelbahn usw.
Um einen Anspruch auf KAE geltend zu machen, muss der Arbeitgeber nachweisen, dass der Betrieb nur über ein touristisches Transportunternehmen erreicht werden kann, das noch einem Betriebsverbot unterliegt. Denn Arbeitsausfälle, die auf behördliche Massnahmen oder andere nicht vom Arbeitgeber zu vertretende Umstände zurückzuführen sind, sind anrechenbar, wenn der Arbeitgeber sie nicht durch geeignete, wirtschaftlich tragbare Massnahmen vermeiden oder keinen Dritten für den Schaden haftbar machen kann (Art. 51 Abs. 1 AVIV).